Handelsblatt Nr. 195 vom 09.10.09
Knallharte Rationalisierer landen einen Punktsieg
Eine Reihe von Unternehmensberatungen verliert bei ihren Kunden an Ansehen - McKinsey steht in der Krise am besten da
SILKE BIGALKE | KÖLN Die Krise macht McKinsey wieder zur stärkste Marke unter den Beratungsunternehmen. Das zeigt der aktuelle Höselbarth-Lay-Index 2009 der dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Für dieses Ranking haben 118 Top-Manager die Berater nach verschiedenen Kriterien bewertet. Die Marke McKinsey hat sich dabei vor die Boston Consulting Group (BCG) an die Spitze geschoben. Auf Platz drei landet wie in den Jahren zuvor Roland Berger Strategy Consultants. Der Markenberater Frank Höselbarth und der pensionierte Wirtschaftsethiker Rupert Lay haben den Index entwickelt und stellen das Ranking seit 2003 im Zwei-Jahres-Rhythmus auf.
"Harte Zeiten erfordern harte Marken", erklärt Höselbarth den Spitzenplatz von McKinsey. Die Unternehmensberatung sei für kompromisslose Einschnitte in Unternehmen bekannt und stehe als Rationalisierer in der Krise gut da - zumindest im Verhältnis zur Konkurrenz. Denn im Zuge des wirtschaftlichen Abschwungs haben alle Top-Ten-Beratungsunternehmen des Rankings bei den Kunden an Ansehen verloren. Die Marke McKinsey hat aber deutlich weniger Boden verloren als der härteste Konkurrent BCG, der das Ranking 2007 noch anführte.
Die Stärke einer Marke hängt von verschiedenen Kriterien ab. Für das Ranking mussten Manager sinngemäß die folgenden drei Fragen zu jeder Consultingfirma beantworten: Kennen Sie die Unternehmensberatung? Hat diese eher einen guten oder einen schlechten Ruf bei den Kunden? Inwieweit konnte die Beratung das Betriebsergebnis von Auftraggebern verbessern?
Was den guten Ruf angeht, steht BCG seit 2003 unangefochten an der Spitze. "Fast alle Befragten bewerten das Unternehmen in diesem Punkt positiv, höchstens ein bis zwei Prozent sind kritisch", sagt Frank Höselbarth. BCG habe hier eine "weiße Weste". Ganz anders verhält sich das bei McKinsey. Das Unternehmen polarisiert. Es hat starke Befürworter - aber auch einige entschiedene Gegner. In Bezug auf das Kriterium "guter Ruf" landet McKinsey daher nur auf Platz zwei. Doch im Wettbewerb um das beste Betriebsergebnis beim Kunden steht McKinsey im Ansehen der Manager in jedem Jahr weit oben.
Diesen Punkt verdankt das Unternehmen seinen als knallhart geltenden Rationalisierungs-Programmen. Der Marke BCG wird dagegen in puncto Betriebsergebnis in diesem Jahr deutlich weniger zugetraut als 2007. Deswegen landet das Beratungsunternehmen insgesamt nur auf dem zweiten Platz.
Rupert Lay, der Aufsichtsratvorsitzender in fünf Unternehmen war, hat darauf bestanden, das Kriterium des Betriebsergebnisses in den Marken-Index aufzunehmen. Er bedauere jedoch, dass Manager dabei vor allem an interne Prozesse denken - Lay nennt dies die "Hardware". Managementberatung ziele vor allem auf eine erfolgreiche Organisation von Unternehmen ab und nicht so sehr auf deren Außenwirkung. Lay hält es jedoch für wichtig, dass Consultingfirmen auch ethische Fragen, also die "Software", in ihren Beratungskatalog aufnehmen. Dazu zähle die Frage, ob sich ein Unternehmen fair gegenüber seinen Mitarbeitern verhält. "Durch die Krise wird der Begriff der gesellschaftlichen Fairness in Zukunft wichtiger werden", sagt Lay.
Sein Kollege Höselbarth sieht das gesellschaftliche Engagement ebenfalls als Weg für Unternehmen, sich einen guten Ruf aufzubauen. Entscheidend sei auch, welche Persönlichkeiten an der Spitze des Unternehmens stehen. Den Führungswechsel bei Roland Berger beispielsweise sieht er als einen Grund dafür, dass die Markenstärke ab 2005 steil angestiegen ist. Seit damals nimmt die Marke Kurs auf die beiden Erstplatzierten BCG und McKinsey. 2009 allerdings hat die Wirtschaftskrise diese Aufholjagd vorerst gestoppt.
Wer trotz Krise Punkte sammeln will, der braucht vor allem ein scharfes Profil, sagt Höselbarth: "Für die Markenstärke ist es jetzt wichtig, dass die Unternehmen klar und sauber positioniert sind. Man kann nicht Everybody's Darling sein." Dafür müssten die anderen Beratungsunternehmen nicht McKinsey nacheifern, sagt der Consulting-Experte. Wichtig sei nur, dass die Kunden genau wissen, woran sie beim jeweiligen Anbieter sind.
Das eigene Profil geschärft haben zuletzt die IT-Beratungsunternehmen. Mit Accenture, Deloitte und Capgemini sind in diesem Jahr gleich drei Anbieter von IT-Consulting in den Top-Ten vertreten. Im Jahr 2007 waren diese Plätze noch ausschließlich von Managementberatungen besetzt worden. Als bester IT-Berater schneidet jetzt Accenture auf Platz fünf ab. Das amerikanische Unternehmen mit deutschem Sitz im Taunus ist auf Outsourcing spezialisiert. Der Dienstleister unterstützt seine Kunden also beispielsweise mit einer passenden IT-Lösung dabei, Aufgaben aus seinem Unternehmen auszulagern.
Das Problem der IT-Consultingfirmen sei bisher gewesen, dass sie von der Unternehmensstrategie bis zu deren Umsetzung am liebsten alles auf einmal machen wollten, sagt Höselbarth. "Es glaubt aber kein Kunde, dass sie auch in allem gut sind." Nur wer ein klares Profil habe, könne sich auch am Markt gut positionieren.
Gerade bei Accenture hat auch die Bekanntheit des Namens eine große Bedeutung für die Markenstärke. In dieser Kategorie holte das Beratungsunternehmen mehr als die Hälfte seiner Gesamtpunkte im Ranking. Größer war dieser Anteil nur bei Arthur D. Little. Die älteste Managementberatung der Welt landet im Wettbewerb um die Bekanntheit auf Platz vier - in der Gesamtwertung allerdings erreicht sie nicht einmal die Top-Ten.
Bigalke, Silke
WiWo vom 28. Oktober 2015